Komplexe Auslandpreisvergleiche in der Labormedizin


FAMH, der Verband der medizinischen Laboratorien der Schweiz, nimmt Stellung zum Preisvergleich des Preisüberwachers in der Labormedizin. Das postulierte Sparpotenzial von CHF 1.5 Milliarden (bei einem Gesamtvolumen von CHF 2 Milliarden) ist nicht nachvollziehbar und gefährdet die Versorgung. Im Vergleich des Preisüberwachers werden weder die unterschiedlichen Kostenniveaus pro Land noch die unterschiedlichen Tarif- und Versorgungsstrukturen berücksichtigt.

 

Prozess der Tarifrevision mit Auslandpreisvergleich ist bereits im Gange

Das BAG hat bereits am 16. Dezember 2020 den Prozess zur Revision der Analysenliste eingeleitet. In diesem Revisionsprozess arbeiten verschiedene Stakeholder, so auch die Labormedizin und die Versicherer mit. Die Tarifstruktur, die einzelnen Tarifpositionen und die Tarife für Analysen werden im Prozess überprüft und soweit notwendig angepasst. Im Rahmen dieser Revision soll auch ein Auslandpreisvergleich durchgeführt werden und in die Neutarifierung einfliessen.

Die FAMH begrüsst das laufende Revisionsvorhaben des Bundes und wird dieses auch weiterhin aktiv unterstützen.

Im Lichte des bereits laufenden Revisionsprozesses, ist es für die FAMH unverständlich und nicht nachvollziehbar, warum sich der Preisüberwacher zum jetzigen Zeitpunkt zu den Laborkosten äussert.

Auch die Forderung eines Auslandpreisvergleichs analog zu Medikamenten und medizinischen Hilfsmitteln ist schwer nachvollziehbar. Bei Analysen handelt es sich um eine Dienstleistung und nicht um Medizinalprodukte.

 

Komplexe Auslandpreisvergleiche müssen alle Faktoren einbeziehen

Gerade der Vergleich mit den Tarifen in Deutschland hinkt arg, da er sich auf die Kostenerstattung im Einheitlichen Bewertungsmassstab (EBM) bezieht. Es gilt ausserdem zu berücksichtigen, dass die Kostenerstattung für Kassenpatienten in Deutschland auf der Basis riesiger Auftragsmengen stattfindet – diese Volumina führen im Vergleich zu den Gegebenheiten in der Schweiz zu deutlich geringeren Grenzkosten. Dabei sind die Erstattungstarife gemäss EBM nicht einmal kostendeckend, wie eine detaillierte Kostenrechnung des Berufsverbands in Deutschland gezeigt hat. Die Labors in Deutschland müssen sich daher mit dem GOÄ Tarif (Privat-Tarif) querfinanzieren.

Unter Einbezug des Privat-Tarifs liegen die eigentlichen Vergütungen also höher, als durch den gesetzlichen Tarif in Deutschland abgedeckt. Nach Schätzung der FAMH liegen die Vergütungen in Deutschland für umsatzstärksten Analysen de facto 40% über dem gezeigten gesetzlichen Tarif.

 

Die dezentrale Versorgung in der Schweiz ermöglicht weniger Skaleneffekte

Dabei spielt auch die dezentrale Struktur des Sektors der Labormedizin eine Rolle. Die Laborstandorte sind auf alle 4 Landesteile verteilt und ermöglichen so rasche und patientennahe Reaktionszeiten. Dabei arbeiten private und öffentlich-rechtliche Labore Hand in Hand, um den Analysebedarf im ambulanten und stationären Setting zu decken.

Eine spezielle Situation stellen die Tarife für Praxislabors in der Schweiz dar. Dabei handelt es sich um rund 33 definierte Analysen, die die Grundversorger (in der Regel Hausärzte) in ihren Praxislabors durchführen können. Diese sind höher tarifiert als die gleichen Untersuchungen, die in den herkömmlichen Labors (Privat- und Spitallabors) vorgenommen werden. Die höhere Tarifierung dieser Analysen trägt dem Umstand Rechnung, dass sie als sogenannte Point-of-Care-Analysen während der Konsultation durchgeführt werden, damit dem Arzt oder der Ärztin die wichtigsten Entscheidungsgrundlagen für die Patientenbetreuung sofort zur Verfügung stehen. Dazu ist ein im Vergleich zum Speziallabor höherer Material- und Personalaufwand notwendig. Dieses im internationalen Vergleich einzigartige System verbessert dank noch während des Arztbesuchs verfügbarer Resultate die Patientenbetreuung.

Diese dezentrale Gesundheitsversorgung, die durch die Verfassung gestützt und von der FAMH mitgetragen wird, führt dazu, dass die Labors auf einen grossen Teil dieser Analysen verzichten müssen.

 

Höhere Einkaufspreise und Personalkosten in der Schweiz

Der Auslandvergleich mit ausschliesslicher Betrachtung der Tarife ist gerade im Bereich der Labor-Analysen nicht aussagekräftig. Wenn schon gilt es das allgemeine Preis- und Kostenniveau mit zu berücksichtigen. Bei uns sind auch die übrigen Produktionskosten wie Mieten oder Probentransporte höher als im europäischen Ausland. Diese Analogie findet sich im allgemeinen Vergleich der Preisniveaus zwischen uns und unseren Nachbarländern und gilt für alle Branchen, nicht nur für den Gesundheitssektor. Zudem werden in der Schweiz Laboranalysen von Laborpersonal erbracht, das über weite Strecken über höhere Qualifikation verfügt als das vergleichbare Personal z.B. in Deutschland. Die Personalkosten sind denn auch der höchste Kostenblock im Labor.

 

Labor-Tarife sind im Verhältnis zu betrachten

Obwohl ungefähr 70% der medizinischen Entscheide auf Laboranalysen basieren, entfallen nur 2.5% der Gesundheitskosten auf sie. Sie ermöglichen es somit, einen ausgewiesenen medizinischen Bedarf effizient zu decken. Gerade COVID-19 hat dies deutlich gezeigt: Wenn ein Patient hospitalisiert werden muss, belaufen sich die Analysekosten nur noch 1% der gesamten Behandlungskosten.

 

Gute Labormedizin spart Gesundheitskosten

Das Kostenwachstum bei den Speziallabors entspricht in den letzten Jahren dem Durchschnitt der allgemeinen Kostenentwicklung im Gesundheitswesen und widerspiegelt die Altersstruktur und den medizinischen Fortschritt. Die Verordnung und der Einsatz von Labor-Analysen erfolgt durch medizinische Leistungserbringer, also durch Ärzte oder Spitäler. Labors sind gar nicht berechtigt, eigenständig Analysen zu verordnen. Dementsprechend haben sie keinen Einfluss auf die Mengenentwicklung bei den Laboranalysen.

Obwohl die Laboranalysen nur einen relativ geringen Teil der gesamten Gesundheitskosten ausmachen, haben sie durch Früherkennung und richtige Diagnose einen hohen Einfluss auf Qualität und Kosten der nachfolgenden Leistungen. Die schnellen, zuverlässigen und robusten Resultate der Auftragslabors dienen der Früherkennung von Krankheiten, ermöglichen die richtige Diagnose und damit das rechtzeitige Einleiten sowie die Überwachung der richtigen Therapien. Analysen auf dem neusten medizinischen Stand tragen zudem in erheblichem Masse dazu bei, unnötige und falsche Therapien zu verhindern.

 

 

Auskünfte (Vorstandsmitglieder FAMH)

Prof. Dr. Nicolas Vuilleumier, +41 79 613 08 98

Dr. Dieter Burki, +41 79 815 28 71


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